Das Neue Testament by Theißen Gerd

Das Neue Testament by Theißen Gerd

Autor:Theißen, Gerd [Theißen, Gerd]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406616228
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-09-02T16:00:00+00:00


2. Das Matthäusevangelium

Auch Mt schrieb in Syrien. Er nennt Jesus einen «Nazoräer» (2,23), wie man dort die Christen nannte, und lässt Jesu Ruf bis nach «Syrien» dringen (4,24). Dort wird sein Evangelium bei Ignatius Sm 1,1 und in der Didache zitiert. Entstanden ist es daher ca. 80–100 n.Chr., d.h. vor den Briefen des Ignatius (107/110 n. Chr.) und nach dem MkEv (ca. 75 n.Chr.). Es stammt nicht vom Apostel Matthäus. Denn es ist unvorstellbar, dass ein Augenzeuge das MkEv als Quelle für Ereignisse benutzt, bei denen er selbst dabei war. Denkbar wäre, dass eine seiner Quellen, Q, auf Matthäus zurückgeführt wurde – und dass der Evangelist dessen Name auf das ganze Evangelium übertragen hat.

Seine Quellen sind das MkEv und Q. Das MkEv war in Syrien entstanden, Q vielleicht durch Emigranten aus Palästina dorthin gebracht worden. Der Mt-Evangelist ist in der judenchristlichen Theologie der Logienquelle beheimatet. Schon der Aufbau seines Buches mit fünf Reden zeigt, dass er den Worten Jesu das entscheidende Gewicht zumisst. Er korrigiert dabei manche judenchristliche Einseitigkeit, etwa wenn er die Begrenzung der Mission auf Israel (in 10,5f) durch den Auferstandenen aufhebt (28,19f). Aber er korrigiert auch das heidenchristliche MkEv. Das hatte alle Speisen für rein erklärt. Eben das lässt Mt in Mk 7,19 weg (Mt 15,17). Wenn das MtEv durch solche Korrekturen eine juden- und heidenchristliche Quelle literarisch vereint, so ist wahrscheinlich, dass er auch in der Realität Juden- und Heidenchristen vereinen will. Betrachten wir jeweils für sich, wozu er sich von seinen beiden Quellen anregen lässt.

Die Logienquelle hat Mt dazu inspiriert, sein Evangelium durch fünf Reden zu strukturieren. Jede ist gewissermaßen eine kleine «Logienquelle»: am Anfang die Bergpredigt, in der Mitte Aussendungs-, Gleichnis- und Gemeinderede, am Ende die eschatologische Rede (Mt 5–7; 10; 13; 18; 23–25). Jesu Lehre in diesen Reden sollen die Jünger in der ganzen Welt verbreiten, damit alle Völker «befolgen, was ich euch geboten habe» (28,20). Worauf es ihm besonders ankommt, sagt er in vier Zusammenfassungen seiner Lehre, die zunehmend mehrgliedrig formuliert werden:

(1) In der Goldenen Regel fasst er die wichtigsten Inhalte der Bergpredigt in einem Satz zusammen: «Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten» (7,12).

(2) Eine zweite Zusammenfassung ist das Doppelgebot der Liebe: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten» (22,37–40).

(3) Noch einmal nennt er das «Wichtigste des Gesetzes» in 23,23: «Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue». Diese Trias ist wichtiger als rituelle Forderungen wie das Verzehnten von Küchenkräutern.

(4) Am Schluss der letzten Rede Jesu steht eine Aufzählung der sechs Taten der Barmherzigkeit. Unabhängig davon, ob sie Juden, Christen oder Heiden sind, werden alle Menschen vom Weltenrichter daran gemessen, ob sie ihm in seinen geringsten Brüdern geholfen haben. Selbst den Gerechten ist das nicht bewusst. Jesus klärt sie auf: «Ich war



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.